Antiziganismus in der deutschen Sprache

Oder: warum ich Paprikasauce nach ungarischer Art sage.
Kornblume mit anderen Pflanzen an einem Zaun.

Der Vorfall mit Dieter Hallervorden in der ARD-Jubiläumsshow im April und die Tatsache, dass die Verwendung bestimmter Begriffe als Satire verteidigt wurde, brachte mich dazu, mich mit dem Thema Antiziganismus zu beschäftigen. Denn weder der für seine Wortwahl kritisierte Hallervorden noch die ARD setzen sich mit der Geschichte des verwendeten Begriffs auseinander. Mehr noch verteidigten sie dessen Nutzung mit Satire. Den Sprachwandel zu parodieren, ohne sich für mögliche Beweggründe eines Wandels zu interessieren, erscheint mir ein wenig anmaßend.

Grund genug für mich, mir die Verwendung des Wortes „Zigeuner“ anzusehen und ein wenig zum Antiziganismus zu lesen. Die Herkunft und ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist laut Duden nicht mehr nachzuvollziehen, es ist aber als diskriminierend einzustufen. Das liegt zuallererst an seiner abwertenden Mitbedeutung.

Ein Wort für alle passt nie

Das Wort dient als Überbegriff für verschiedenen Völker, transportiert rassistische Stereotype und entspricht nicht der Selbstbezeichnung. Das Denkmal für die im Nationalsozialmus ermordeten Sinti und Roma Europas bringt die respektlose Ungenauigkeit und Pauschalierung mit einem Satz auf dem Punkt: „Die meisten von ihnen bezeichneten sich selbst nach ihrer jeweiligen Zugehörigkeit zu verschiedenen Gruppen beispielsweise als Sinti, Roma, Lalleri, Lowara oder Manusch.“ Der Begriff Roma ist dabei nur ein Oberbegriff für verschiedene Bevölkerungsgruppen, deren Gemeinsamkeit die Sprache Romanes ist.

Durch die diskriminierende Bedeutung des Z-Wortes kam es nicht nur als Beschreibung vom Gruppen zum Einsatz, deren Lebensart sich in irgendeiner Form von der Mehrheitsgesellschaft unterschied, sondern pauschal, um kriminelles Verhalten anzudeuten. Das Wort diente zudem als Schimpfwort und selbst die ironische Verwendung führt letztendlich dazu, dass die abwertende Bedeutung weiter bestehen bleibt. Deswegen ist es am besten, gänzlich auf das Wort zu verzichten. Daher nutze ich, sofern es nicht anders möglich ist, den Begriff Z-Wort.

Dieser Ersatz dient nur als Weg, den rassistischen Begriff nicht zu reproduzieren, ist aber kein empfehlenswertes Wort. Mit Blick auf die Nazizeit ist auch dieses sprachliche Ausweichen vorbelastet, denn die Sinti und Roma in Konzentrationslagern wurden mit dem Buchstaben „Z“ tätowiert.

Der Völkermord der Nazis

Unter den Nationalsozialisten äußerte sich die grausamste Form des Antiziganismus: Sie verfolgten Roma und Sinti systematisch und stellten sie als Kriminelle dar, sperrten sie ein und töteten sie. Für diesen Völkermord gibt es das Romanes-Wort Porajmos (Verschlingen) und die Wortschöpfung Samudaripen (lässt sich mit Massenmord übersetzen).

Die Anerkennung als Völkermord dauerte in Deutschland bis in die 80er Jahre. Die Aufarbeitung dieser Verbrechen und Stereotypen reicht weit in die Gegenwart. So distanzierte sich beispielsweise erst 2015 die Justiz offiziell davon, dass Angehörige dieser Gruppen pauschal kriminalisiert werden.

Diskriminierung in der Sprache überwinden

Der Begriff Antiziganismus ist die Bezeichnung für den Rassismus, der sich in Form von Stereotypen und oder Diskriminierung gegenüber Roma, Sinti und anderen Gruppen richtet.

Die Erkenntnis, dass rassistische Wörter Diskriminierung fortsetzen, führte dazu, dass sich im offiziellen Sprachgebrauch Roma durchgesetzt hat. Auf den alten Begriff verzichten diejenigen, die sich mit der Geschichte beschäftigen. Das zeigt sich beispielsweise bei traditionellen Produktnamen wie bei einer Sauce, die mittlerweile Paprikasauce heißt.

Strukturelle Diskriminierung in der Schule, bei der Polizei und vor Gericht gibt es immer noch. Da der Begriff des Antiziganismus sich vom Z-Wort ableitet, gibt es Stimmen, die sich für die Bezeichnung Antiromaismus oder Gadje-Rassismus (Gadje ist das Romanes-Wort für Nicht-Roma) einsetzen. Der Zentralrat deutscher Sinti und Roma nutzt den Begriff Antiziganismus gerade wegen seiner Herleitung aus der abwertenden Bezeichnung, weil mit diesem eine Geschichte der Verfolgung seit dem Mittelalter einhergeht.

Seit 1995 zählen Sinti und Roma zu den nationalen Minderheiten in Deutschland und mit meiner nur oberflächlichen Recherche wurde mir erst bewusst, wie viel mehr es in Bezug auf Diskriminierung und Rassismus in der Sprache zu lernen gibt.

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